1993 Frankreich Paris
Posted on 06/07/1993 by ansgarbaumert
Ich freunde mich mit einer Studentin an, die über Ungarn aus der DDR gekommen ist. Sie ist ganz erpicht darauf, Paris zu sehen. Wir trampen hin. Sich eine Stadt wie Paris zu erschließen, ohne Geld auszugeben, erfordert ein wenig Planung. Die Anfahrt per Anhalter ist sowieso klar. Auf der Stadtkarte suchten wir uns einen grünen Fleck zum wilden Campen und finden uns den “Bois de Bologne”. Um die Rucksäcke nicht den ganzen Tag mit uns herumschleppen zu müssen, tüfteln wir einen weiteren genialen Plan aus: Wir lassen sie im Nordbahnhof “Gare du Nord” im Schließfach. Abends holen wir das Zelt, morgens legen wir es wieder hinein und sind tagsüber gänzlich unbelastet.
Von der U-Bahn-Station beim Bois de Bologne ist es noch ein Stück eine Straße herunter; alle paar Meter stehen so komische Typen, z.T. schräg angezogen, manche gucken uns komisch an. Irgendwann biegen wir in den Wald ab und stoßen nach einer Weile auf einen Kinderspielplatz. Dort bauen wir unser Zelt auf. Erst am nächsten Tag wird uns klar, das an dieser Straße der Schwulenstrich ist.
Natürlich wollen wir die Tage voll ausnutzen: Die letzte U-Bahn vom Gare du Nord zum Bois de Bologne fährt um 12 Uhr nachts. Vom Schließfach zur U-Bahn dauert es gut 10 Minuten. Ungefähr um 1 sind wir im Bett. In der letzten Nacht kamen wir fast zu spät. Wir rennen so schnell wir können, um die letzte U-Bahn zu schaffen. Ich bin viel schneller da als meine Mitreisende. Während ich in die U-Bahn springe, geht die Tür zu, so dass ich sie mit meinem Körper blockiere. Die blockierte Tür geht wieder auf – und wieder zu, immer wieder. Ich ignoriere alle möglichen Lautsprecherdurchsage und warte auf meine Bekannte. Zwischendurch kommt eine Gruppe elegant angezogener schwarzer Männer, die sich alle freundlich bedanken, weil sie wegen mir die U-Bahn noch gekriegt haben. Jeder einzelne sagt: „Merci“. Endlich kommt auch meine Bekannte.
Wir waren eine Woche lang jeden Tag von früh bis spät in der Stadt unterwegs. Leider kann ich mich kaum an etwas erinnern, das wir in der Stadt gesehen haben. Außer an den Eifelturm. Wir hätten hochfahren können, taten es aber nicht, weil es umgerechnet 20 Mark gekostet hätte.
Den letzten Tag hatten wir fast kein Geld mehr und es regnete in Strömen. Wir kauften uns von unserem letzten Geld eine Literflasche Cola. Dann fanden wir uns ein Straßencafé, vor dem draußen ein paar Tische und Stühle mit großen Regenschirmen standen. Da setzten wir uns als einzige in dem Regen hin und bestellten zwei Kaffee. Dann haben wir, immer wenn die Tassen leer waren, sie heimlich unter dem Tisch mit Cola aufgefüllt. Dann beobachteten wir die Leute, die im Regen an uns vorbeigehastet sind. So haben wir ein paar Stunden überbrückt.
Auf der Rückfahrt regnete es auch ununterbrochen. Irgendwo in Süddeutschland erklärt sich der schwarzelegant angezogene Fahrer eines zweitürigen amerikanischen Straßenkreuzers, bereit, uns nach Hannover mitzunehmen. Hinten in dem Auto saß eine riesige Dogge. Kaum saß ich, leckte er wie verrückt mein Gesicht, bis ich seinen Kopf sanft aber bestimmt in meinen Schoß drückte, und ihm beruhigend über den Kopf streichelte. Als ich mich nach vorne beugte, um meine klatschnasse Lederjacke auszuziehen, sprang mir der Hund auf den Rücken und rammelte mir ins Kreuz. Ich rief um Hilfe, woraufhin der Fahrer das Fenster einen Spalt aufmachte . Sofort sprang der Hund zum Fenster und ich lehnte mich schnell wieder an, ohne die Jacke auszuziehen. Der Fahrer bog, gegen unsere vorherige Abmachung, am Autobahndreieck nicht nach Hannover ab, sondern nach Bremen. Ich ließ ihn sofort, mitten auf der Autogahn, anhalten. Er sagte sorry, er hätta da was verwechselt. Also steigen wir aus und stehen bei strömenden Regen auf der Autobahn, etwa 100 meter hinter dem Autobahnkreuz. Zwischen uns und der Straße nach Hannover lagen ca 100 m regenschlammweicher Acker. Wir nehmen kurz entschlossen unsere Isomatte als Regenschirm und gehen quer über den Acker, wobei wir bei jedem Schritt tief einsinken.
Um kurz vor 11 Uhr nachts ließ uns ein Fahrer auf einer Raststätte raus, während die Tankstelle zumachte. Da standen wir, ganz alleine im strömenden Regen und es kam ewig lange kein einziges Auto vorbei. Bis irgendwann ein Caddy hielt. Wir fragen hoffnungsvoll und die beiden Insassen wollten wirklich genau nach Kiel. Aber sie sitzen zu zweit vorne und sind hinten voll beladen. Claudia fängt an zu heulen, aber insgeheim zwinkert sie mir zu, es war nur eine Show. Aber wirksam: Die beiden lassen uns hinten auf dem ganzen Krempel auf der Ladefläche mirfahren. Dort sind auch ein paar Salate und Torten für eine Party, aber auch viel anderer Kram. Ich lag unbequem auf einem Surfbrett ganz hinten an der Ladeklappe, wobei ich ganz unglücklich mit der Schulter an der Rückwand lag.
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