Kurdisches Kulturfestival in Beytüsebap August 2005
Posted on 09/08/2005 by ansgarbaumert
Dann ging es nach Sirnak, eingentlich schon Krisengebiet.
Alle paar Minuten patrollieren türkische Militärstreifen mit gepanzerten Fahrzeugen und großen Kanonen, aber auch Männer in Zivil mit Kalaschnikows. Es herrscht Kriegszustand, immer wieder kommt es zu Kämpfen zwischen der PKO und türkischem Militär, aber fast nur in den Bergen, als Tourist soll man in den Orten bleiben.
Beim Essen spricht mich ein junger Mann namens Ramazan auf Englisch an. Er möchte mir die Stadt zeigen. Wir gehen erst zu ihm nach Hause und dann zu seinem Onkel. Für die Einheimischen gilt die Hand als schmutzig und der Kopf als heilig. Aus Höflichkeit nehmen die Kinder die Hand von Erwachsenen und drücken sie an ihre Stirn. Endlich gehen wir zum Haus der Tante, weil dort eine traditionelle Hochzeit stattfindet. Zuerst sitzt der Bräutigam in einem Zimmer mit sehr vielen Männern an der Wand. Er hat einen Stock und vor ihm liegen Zigaretten auf dem Boden. Immer wieder hocken sich Männer vor ihn, sie sprechen kurz, dann tut der Bräutigam so, als ob er sie ein paar Mal mit dem Stock haut, dann kriegen sie eine Zigarette und dann is gut. Der Sinn der Übung ist, dass alle, die noch irgendeine Rechnung mit dem Bräutigam offen haben, das vor der Hochzeit klären, sich ihre Strafe abholen (die Stockschläge), damit bei der Hochzeit reiner Tisch ist.
Schließlich findet draußen eine große Party statt. Die älteren Frauen tragen alle Kopftücher und hocken an der Seite. Ich lerne eine dicke Tante kennen, die mir ein Bonbon gibt. Dann gehen die Tänze los. Mehrmals wurde ich zum Tanzen gezwungen. Für Getränke ist auch gesorgt: Alle halbe Stunde kommt ein Junge mit einer Plastikflasche mit kaltem Wasser und einem Glas für alle. Den letzten Schluck schütten die meisten weg, als ob das Glas dadurch wieder sauber würde.
Ganz spät nachts gibt es auf dem Hausdach noch essen: Joghurt, Brot, Oliven, Tomaten, Obst.
Ramaz erzählte mir dann auch von einem kurdischen Kulturfestival „Kurdic kültür festival“ in den Bergen bei einem Dorf namens Beytüssebap. Ich machte mich auf den Weg. Im Bus lernte ich einen netten Lehrer kennen und fragte nach dem Festival. Mehrmals kamen wir an Straßensperren, mussten alle aussteigen und türkische Militärs kontollierten die Ausweise.
Bei unserer Ankunft nahm mich der Lehrer an der Hand und hielt einen auf der Straße passierenden Doppelkabinen Pickuptruck an. Er schob mich auf den Rücksitz und es ging aus dem Ort und dann immer bergauf. Irgendwann hielt uns ein entgegenkommendes Auto an, es wurden einige Worte gewechselt und dann eine Jagdflinte, aus unserem Auto in das andere Auto gegeben. Dann gab es wiederum eine Straßensperre, wir mussten alle aussteigen und alles wurde durchsucht. Als ich sagte, dass ich Deutscher sei, ließen sie mich unbehelligt, ich musste nicht einmal meinen Pass zeigen. Ich fragte einen türkischen Soldaten, ob das vielleicht für mich gefährlich werden könnte, aber er meinte, Deutsche würden sowohl von den Kurden als auch von den Türken verschont. Dann ging es bestimmt drei Stunden immer steil in die Berge. Schließlich kamen wir in einer Zeltstadt an. Hier war früher ein Dorf, das von der türkischen Regierung plan gemacht wurde, weil es als Rückzugsgebiet der PKK-Kämpfer galt. Von den 10000 Leuten, die urprünglich auf diesem Festival waren, waren am vorletzten Tag noch gut 2000 da. Unten im Tal war ein großer Platz, auf dem gerade so eine Art kurdisches Baseball gespielt wurde, abends wurde dort getanzt.
Man führte mich zu einem einem bestimmt 30 Quadratmeter großen und mit riesigen dicken Teppichen ausgelegten und rundum gepolsterten Zelt. In einem großen Kreis saßen lauter alte Männer mit Turbanen und diesen Gebetsketten. Mir wurde Brot und Joghurt kredenzt. Plötzlich fragt ein alter Mann: „Sprechen sie deutsch?“ Hakki hat vor 30 Jahren 5 Jahre lang in Hannover und Braunschweig gearbeitet. Er lud mich gleich in sein Zelt zum Schlafen ein: „Du jetzt in meine Familie! Ich liebe dich!“ Seinen großen Bruder hab ich auch gleich kennengelernt und dessen Tochter, mit der ich danach zwei Tage unterwegs war. Am Nachmittag hab ich einen Spaziergang durch die Zeltstadt gemacht, und bin fast von jeder Familie unterwegs zum Essen oder Tee trinken eingeladen worden. Abends sprach mich ein junger Mann an und fragte, ob ich vielleicht ein Bierchen trinken möchte. Wir gingen zu einem Auto ander Seite, dessen Kofferraum offen war, und um das 5 oder 6 Männer standen und heimlich Bier aus dem Kofferraum tranken.
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