Qinghai Mai 2006

Posted on 17/05/2006 by ansgarbaumert

Mit dem Zug fuhr ich zunächst von Changchun nach Beijing. Die Weiterfahrt von Beijing nach Xining dauerte über 20 Stunden.In den normalen, chinesischen Zügen gibt es die Möglichkeit, Softsleeper und Hardsleeper zu fahren. Hardsleeper ist etwas teurer, es gibt Kabinen, deren Tür nachts abgeschlossen ist, mit jeweils vier Passagieren und relativ bequemen Betten. Hardsleeper bedeutet, dass es drei Betten übereinander gibt, Xiapo, Zhongpo und ShangPo. In einer Kabine sind also 6 Passagiere, allerdings sind die Kabinen zum Flur hin offen. Hardsleeper ist netter und geselliger, normalerweise wird man von Wanderarbeitern zumZigarettenrauchen und Schnapstrinken eingeladen. Am besten ist die XiaPo, das Bett ganz unten. Dort kann man nämlich nach Belieben sitzen oder liegen. Man hat mehr Platz in die Höhe als bei den Betten oben, so dass man hinten an die Wand angelehnt, aufrecht sitzen kann. Ganz oben ist der schlechteste Platz, dort kann man wirklich nur liegen und hat dann die Decke direkt über der Nase. Und außerdem steigt schlechte Luft nach oben und davon gibt es in diesen Zügen jede Menge. Von Beijing nach Xining hatte ich eine von diesen begehrten XiaPo. In China konnte man sich zu dieser Zeit immer erst eine Woche vor Beginn der Zugfahrt und immer nur in der Stadt, von der man abfährt, ein Ticket kaufen.

Früher konnte man als Ausländer in China nur in bestimmten Hotels wohnen. Und dieses Hotel in Xining war so ein Ausländerhotel. Und im Service inbegriffen war ein Opa aus der Gegend, der früher Englischlehrer gewesen war. Als ich eincheckte, lief man also gleich los und der alte Mann mit dem durchaus passablen Englisch kam und bot mir seine Dienste an. Ich gab ihm also reichlich Geld, damit er, rechtzeitig eine Woche vor meiner Rückfahrt ein Zugticket für einen Xiapo nach Peking für mich kauft.

Von Xining fuhr ich mit dem Bus zum QingHaiHu, dem größten See Chinas, in dem es beeindruckende Vogelkolonien gibt. Auf dem Weg, ganz in der Nähe des Sees haben wir einen Aufenthalt in einem kleinen tibetanischen Städtchen jenseits von gut und böse. Dort gibt es ein paar chinesische Straßenrandhäuser. Ein paar tibetanische Männer stehen mit ihren Motorrädern auf der Straße und schnacken. Als ein Busfahrer bemerkt, dass ich ein Foto von ihm machen will, rennt er in seinen Bus, und kommt mit einem traditionellen, tibetanischen Feiertagsmantel wieder raus und stellt sich in Pose. Davon abgesehen ist alles deprimierend, kalt und dunkel und dann fängt es auch noch an zu schneien. Mit einem Stadtbus fahre ich zum Qinghai-see, unterwegs tibetanische Nomaden passierend, die mit ihrem gesamten Hab und Gut auf ein paar Yaks am Straßenrand entlang reiten. Der beeindruckende See ist in einer Ebene, in der es, von ein paar langweiligen Bauernhäusen abgesehen, nichts gibt, nicht mal Bäume. Am berühmtesten ist eine Insel voller Vögel, die für mich wie Komorane aussehen. Aber es gibt auch viele Möwen und Wildgänse. Außer mir ist dort nur noch ein Touristenpärchen mit einem schicken Geländetoyota mit Beijinger Kennzeichen: Zivilisierte Menschen! Bei der ersten Gelegenheit nehme ich Kontakt auf, lenke das Gespräch auf die Reisepläne und finde heraus, dass die beiden weiter nach Gearmu und dann über Lhasa nach Kathmandu wollen. Also frage ich, ob ich mit nach Gearmu fahren dürfe – und sie sind einverstanden.

Dass sie mich wirklich mitnehmen glaube ich aber erst am nächsten Morgen, als ich in dem Auto sitze, wobei ich erstaunt bin, wie übermäßig nett und zuvorkommend die beiden sind. Ich lerne bald, dass der Mann zwar sehr gut Auto fahren kann, aber stark unter der Höhenkrankheit leidet, was auf dieser Strecke nicht gut ist, da sie auf knapp 4000 Meter hoch geht. Die Frau leidet zwar nicht unter der Höhenkrankheit, kann aber auch so nicht Auto fahren. Schon am Abend vor der Abfahrt hatten die mich gefragt, ob ich einen chinesischen Führerschein hätte. Ich hatte zwar einen, hatte ihn aber leider nicht dabei. Und die waren so korrekt, dass sie mich so nicht fahren ließen, obwohl sie beide eigentlich nicht fahrtüchtig waren. Ein anderes ihrer Prinzipien war, dass man sich immer anschnallen musste, was ihnen nur einen Tag später vielleicht das Leben rettete.

Eigentlich wollten die mich gleich weiter mitnehmen über Lhasa nach Nepal und dann zurück nach Beijing. Als ich einwarf, dass ich gehört hatte, dass Westler nur mit Sondergenehmigung nach Tibet einreisen dürften, rief der Mann sogleich das China Tourism Centre an und erfährt, dass ich recht habe.

Also trennten sich in Gaermu unsere Wege, aber für mich war die Idee, nach Lhasa zu fahren geboren. Die Sondergenehmigung kostete 1700 Kuai und ich durfte damit mit einem öffentlichen Bus für vier Tage nach Tibet fahren. Inklusive waren 4 Übernachtungen in einem Dormitory und sogar ein Reiseführer. Wobei ich eigentlich sogar Teil einer Reisegruppe war, zusammen mit zwei Holländern, die ich in Lhasa kennen lernen sollte. Der Witz war, dass ich, noch genau 1730 Kuai hatte, wobei die eigentlich für den ganzen Urlaub reichen sollten. Ich bezahlte also die 1700 für die Genehmigung und hatte dann nur noch umgerechnet knapp 3 Euro. Dann erfahre ich, dass es in ganz Gaermu keine Bank mit ATM gibt. So machte ich mich am nächsten Tag mit 30 Kuai zumBusbahnhof auf, in der Hoffnung, in Lhasa, was ja schließlich eine Provinzhauptstadt ist, eine Bank mit Geldautomaten für ausländische Kreditkarten zu finden.

Der Bus, dem ich zugewiesen werde, entpuppt sich als Zumutung. Ein Schlafbus, in dem es furchtbar stank, und alles unglaublich dreckig war. Der Busfahrer merkt, dass ich angewidert bin, greift sich schnell eine Parfümsprühdose und fängt an, wild in der Luft rumzusprühen, und, damit sich meine Mine möglichst schnell aufhellt, sprüht er mir das Parfüm einmal genau ins Gesicht. Da noch keine Passagiere da sind, suche ich mir einen möglichst guten Schlafplatz, aber ich kann mir kaum vorstellen, es in diesem Dreck 22 Stunden auszuhalten, so lange sollte die Fahrt nämlich dauern. Zunächst bin ich ganz alleine, dann kommen endlich andere Passagiere, aber plötzlich kommt jemand, ruft etwas, woraufhin alle aussteigen und zu einem anderen Busgehen, der viel schöner und sauberer ist und dort einsteigen. Ich schließe mich ihnen an, aber der Busfahrer verweigert mir den Eintritt. Also bin ich wieder alleine in dem Stinkebus, und zwar ziemlich lange, und diesmal kommen nur sehr wenige Leute. Als endlich, nach bestimmt anderthalb Stunden ein paar Leute da sind, ruft wieder jemand, woraufhin wieder alle aussteigen und zu einem Bus gehen, der genau da steht, wo zuvor auch der andere stand. Entschlossen schultere ich meinen Rucksack und gehe mit, in der Absicht, mich diesmal nicht wieder abweisen zu lassen. Und wieder lässt mich der Busfahrer nicht rein, und weil ich diesmal nicht so leicht aufgeben will, schreit er mich an und geht drohend auf mich los. Eingeschüchtert gehe ich wieder zurück und bin wieder ganz alleine in dem verdammten Dreckbus.

Inzwischen konnte ich die Schriftzeichen von Lhasa entziffern und sehe gegenüber einen blitzsauberen, modernen Bus mit Sitzplätzen, auf dem vorne Lhasa drauf steht. Der ist voll besetzt und abfahrbereit und ich denke mir, wie kann das sein, dass ich 1700 Kuai bezahlt habe, während die Chinesen nur 200 bezahlen, und die in so schönen Bussen ständig abfahren, während ich hier seit Stunden nicht wegkomme. Und dann steigt plötzlich ein Mann aus dem Bus aus, der vielleicht noch kurz zum Klo will oder schnell was einkaufen. Ich denke, diese Gelegenheit kann ich mir nicht entgehen lassen, greife mir meinen Rucksack, laufe zu dem Bus und setze mich, den Rucksack auf dem Schoß, auf den frei gewordenen Platz. Es dauert nicht lange, und der Mann kommt zurück und will auf seinen Platz. Ich weigere mich aber aufzustehen. Der Busfahrer kommt, guckt sich mein Ticket an und sagt, ich müsse aussteigen – ich weigere mich weiterhin. Schließlich kommt ein Uniformierter, der ein bisschen Englisch kann, und der mir sagt, dass mein Ticket auf eine andere Busgesellschaft ausgestellt sei. Ich sage, dass sei mir egal, ich warte schon seit drei Stunden und meine Geduld sei am Ende. Er steigt aus und telefoniert über sein Handy, dann kommt er wieder rein und sagt, er könne meine Situation verstehen und, wenn ich ausstiege, würde er sich meiner annehmen, also stieg ich aus. Ich stehe ungefähr 10 Minuten neben dem Bus und der Uniformierte läuft, etwas abseits, wiederum telefonierend hin und her. Die Lösung, mit der er dann ankommt, überrascht mich vollends: Ich darf wieder genau in den Bus einsteigen, in den ich mich gerade reingedrängelt hatte, auf denselben Platz, auf dem ich vorher gesessen hatte und der Mann, der eigentlich dort saß, stieg aus. Und dann kommt gleich die nächste Überraschung: Der Busfahrer, der mir vorher schon sehr sympathisch erschienen war, guckte und sagte, dass ich dort ja nicht genug Platz für meine Beine hätte. Dann zwingt er den Mann, der in der ersten Reihe sitzt, mit mir den Platz zu tauschen. Ich kann also die Beine frei ausstrecken und habe freie Panoramasicht nach vorne, nicht zu verachten, bei 22 Stunden durch das tibetanische Hochland. Später, als die Aussicht immer fantastischer wird, setze ich mich zeitweilig direkt auf den Beifahrersitz, so dass die Busbegleiterin auf meinem Platz sitzen muss. Der Busfahrer gibt mir so viele Zigaretten, dass mir schwindelig wirg. Die Aussicht ist fantastisch!

Wir sind noch nicht lange gefahren, da stand das Pärchen aus Peking am Straßenrand. Sie waren mit ihrem Auto von der Straße abgekommen, einige Meter ins Tal gerollt und auf dem Dach liegen geblieben. Der Busfahrer hielt an, aber sie sagten, wir sollten weiter fahren, sie hätten schon telefonisch Hilfe gerufen.

Wir sind durch eine faszinierende Landschaft gefahren, über schneebedeckte Pässe, immer entlang der Eisenbahnstrecke, die sich zu dieser Zeit im Bau befand. Einmal hab ich zwei hintereinandergekoppelte Loks gesehen, die ein paar Wagen einen Berg hochzogen, wobei unglaublich viel Rauch aus den Schornsteinen beider Loks kam. Unterwegs gibt es immer wieder Polizeistationen, wo unter anderem meine Einreisegenehmigung gecheckt wird. Mitten in der Nacht hielten wir dann an so einer Polizeistation an, der Fahrer sagte, dass Pause sei, stieg aus, machte hinter sich die Tür zu und ging weg. Dann war Stille und es wurde langsam kalt. Schon bald musste jemand aufs Klo, hat die Tür irgendwie von Hand aufgemacht, dann ging sie aber nicht mehr zu und es wurde noch kälter, bis es wirklich bitterkalt war. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus und bin raus, wo es einen so schönen Sternenhimmel gab, wie ich ihn in meinem Leben nur selten gesehen habe. Den hab ich mir eine Weile angeguckt, fror aber wie ein Weberknecht. Also bin ich in das Häuschen zu den Polizisten und hab mich an den Ofen gesetzt, das Bier aus meinem Rucksack getrunken, dass ich mitgenommen hatte, um in dem Bus besser einschlafen zu können, mit den Polizisten zusammen deren Zigaretten geraucht und mich gewundert, dass das Feuer in dem Ofen so komisch flackerte, und nicht wärmte. Bis mir der Polizist sagte, wir wären auf 4600 Meter Höhe.

 

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